Friday, October 16, 2009

Journalist-Warlord erledigt Rashid Dostum. Und Hamid Karzai.

(Schon vor Wochen geschrieben, aber ganz vergessen zu posten)

Journalisten bekommen von klein auf eingetrichtert, Geschichten zu erzählen. Von Menschen. Wie im Märchen. Von guten und von bösen Menschen. Und am Ende siegt immer das Gute. Während die Bösen sich sozusagen selbst richten, wenn ihnen ihre Kleinheit und Niedertracht sozusagen aus allen Knopflöchern trieft. Aus, vorbei. Vor den Augen der Öffentlichkeit sich selbst gerichtet. Sodass keine einzige Gehirnzelle mehr damit verschwenden muss. Gestorben! Aber natürlich nur, nachdem die Geschichtenerzählung durch den Journalisten vernommen wurde.

DER SPIEGEL vermeldete, dass Karzai Dostum hofiert. Die Wortwahl gegenüber Dostum ist kompromisslos: "blutrünstigster Milizführer", "Kriegsverbrecher", eitel (hält sein Alter "so geheim wie ein Popstar"), "in seinem Element", "inszeniert sich gerne als Volksheld und Militärchef zugleich", "sündhaft teure Villa", "bulliger General, dessen markanter Schnauzbart und buschige Augenbrauen mittlerweile ziemlich ergraut sind", "Warlord". Der Inbegriff des durchschaubaren Bösen also, der noch nicht einmal Stil besitzt.

Mein Punkt ist nicht, zu sagen diese Geschichte sei falsch, ich aber würde die richtige Geschichte kennen. Rashid Dostums Eintrag auf Wikipedia etwa liefert durchaus einige (wenigstens) zwielichtige Details. Aber: die ganze jüngere Geschichte Afghanistans ist ein einziges, rational schwer fassbares Schlamassel. Und vor allen Dingen: Krieg, mit ständig wechselnden Fronten. Das soll nicht heißen, Dostum völlig freizusprechen. Aber das primitivistische Pochen auf westliche Moral-Versatzstücke ('so wäre es korrekt gewesen') ist radikal selbst-bezogen, wenn nicht infam.

Die Geschichte, die zu Karzai erzählt wird, hat noch einige offene Kapitel, wird in ihren wesentlichen Punkten aber miterzählt. Man weiß bereits (aus früheren Erzählungen), dass vor allem die USA ihn los werden wollen: Mit ihm geht es nicht voran in Afghanistan! Jetzt die Wahlen: Karzai begnügt sich nicht etwa damit, diese 'korrekt' zu gewinnen. Vielmehr paktiert er mit "Kriegsverbrechern", "brutalsten Generälen der Nordallianz", "Köpfen von Entführerbanden" und "international verpönten Drogenbaronen" - aus "Machthunger", wie der journalistische Warlord brandmarkt. Sodass dem keine weiteren Informationen mehr verlangenden Leser nur ein Bild aufgehen kann: Karzai kauft "im Stile des afghanischen Basar-Deals" die Unterstützung einzelner Volksgruppen und Regionen, was nur zutiefst undemokratisch sein kann - er steht jetzt 'quasi' außerhalb von Recht und Ordnung. Und damit hat unser Warlord an der Tastatur Karzai gleich miterledigt.

Fragen, wie das fragile Machtvakuum in Afghanistan aufgelöst werden könnte, werden in diesem Gefecht nicht gestellt. Dies würde die zerstörerische Wucht der erzählten Geschichte schwächen.

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