Tuesday, October 27, 2009

"Charismatisch" - Ein Wort in rasantem Verfall

Jemanden als charismatisch zu bezeichnen wirkt inzwischen fast so wie der Sticker: Achtung! Krass verbilligte Ware. Natürlich wird das Gegenteil bezweckt, aber irgendwie kommt der Selbstbedienungsladen mit Wühltisch dabei heraus.

Der Präsident vom FC Energie Cottbus nennt Pele Wollitz einen charismatischen Trainer. - Wow! Okay, Wollitz ist amüsant wenn er poltert. Und wirkt ungemein überzeugend dabei. Pele Wollitz und Klaus Kinski auf einer Bühne zusammen, das hätte etwas.

Von Guttenberg wird ständig darin gebadet, charismatisch zu sein. Seine Qualifikation hierfür: Jugendlich, bessere Garderobe, kann Englisch, wirkt etwas 'unprollischer' als seine Kollegen.

Es gab sogar (niederrangige) Versuche, Seehofer mit charismatisch zu etikettieren. Ihm sozusagen einen Hauch von Obamafizierung mitzugeben. So ganz war der Ausverkauf dann wohl doch nicht durchzuziehen.

Die dergestalt Aufgewerteten können natürlich nichts für die Verramschung von "charismatisch". Nichtsdestotrotz haftet "charismatisch" als Billig-Label an ihnen. Deren Problem, wenn sie es annehmen.

Wurde Lothar Matthäus eigentlich schon als charismatisch bezeichnet?

Nachdem "charismatisch" fast schon den Pawlowschen Reflex "Rote Karte" auslöst - kann da jemand wie Rainer Brüderle jetzt Nutzen daraus ziehen? - Nicht direkt, höchstens punktuell. Die Erosion eines Wort-Wertes führt schließlich nicht zur direkten Umkehrung der Verhältnisse.

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