Saturday, June 30, 2007

Temporärer Wahnsinn (Teil 1)


Apple's iPhone - der Geist ist aus der Flasche

Fast 7 Monate gespannte Erwartung sind vorüber, das iPhone wird endlich verkauft. Und die Schlangen vor den Apple Stores und AT&T Filialen waren groß. Überall. Noch größer ist das Interesse, das die Medien dem Mobiltelefon der nächsten (oder gleich übernächsten) Generation widmen. Vermutlich hat gerade das publicityträchtigste Release eines Technikproduktes aller Zeiten stattgefunden.

Die Aufmerksamkeit, die Apple's (jetzt schon) Kultgerät durch ständige Berichterstattung in den Medien erfuhr, lässt sich (mindestens) mit einem Werbeaufwand von 400 Millionen Dollar gegenrechnen, sagt Professor David Joffie von der Harvard Business School. "Kein anderes Unternehmen hat jemals so viel Aufmerksamkeit für eine Produktvorstellung erhalten. Das ist beispiellos".

Die Stärken und Schwächen des Einführungsmodells wurden vielerorts detailliert besprochen, etwa von Walter Mossberg. Links zu weiteren Rezensionen hat AppleInsider. Die meisten (Feature-)Mängel dürften kurz- und mittelfristig nachgebessert werden. Über eines aber sind sich die meisten einig: Eine Verbindung von Mediaplayer, Smartphone und Internetnutzung in einem Gerät hat es in dieser Eleganz nicht einmal annähernd gegeben. Das betrifft sowohl Nutzungskomfort wie auch Styling des iPhones.

Für die Firma Apple insgesamt dürfte das Gerät einen weiteren immensen Schub bedeuten. Nicht nur hinsichtlich ihrer eigenen Erwartung, mit dem iPhone, neben dem iPod und dem traditionellen Computergeschäft, ein drittes Standbein aufzubauen. Oder der erwarteten 10 Millionen iPhone Verkäufe im nächsten Jahr. Vielmehr noch dürfte sich das Standing der Marke Apple wesentlich verbessern. Ihre Corporate Identity könnte, von der bisherigen Wahrnehmung als Hersteller eher exotischer und/oder alternativer Computer und Betriebssysteme, sich upgraden zu einer Firma, die für die 'ernsthaftere' und/oder konservativere Geschäftswelt zunehmend interessanter wird. Und daher, wenigstens mittelfristig, auch die Verkäufe von Apple Computern mit Mac OS X kräftig ankurbeln. Gerade vor dem Hintergrund, dass Microsoft's Windows Vista, obwohl erst vor kurzem auf den Markt gekommen, jetzt schon als Schnee von gestern wahrgenommen wird, und dies, obwohl der Umstieg von Windows XP auf Windows Vista noch immer problematisch ist, wegen fehlender Treiberunterstützung und vieler weiterer Inkompatibilitäten.

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Wednesday, June 27, 2007

Abgewickelt à la Obrigkeitsstaat


Baden-Württembergischer Innenminister lässt HipHop Video löschen wegen Gewaltverherrlichung

DEINELTAN, HipHop Combo aus Berlin-Wedding, hat RICHTIG Aufsehen erregt. Bis in deutsche Amtsstuben. Genauer gesagt das Video zu ihrem Song "Fickt die Cops"

Die tonlos-ungeübte Kommentarstimme am Anfang könnte auch aus einem Lehrfilm der Polizei stammen: Der Film zeigt das Berufsrisiko jeder Polizistin, jedes Polizisten im täglichen Einsatz für den Bürger... Danach ist Schluss mit Didaktik und Dokumentation - außer man meint, auf dem Lehrplan könnten auch Krassmaten stehen. Bilder von Polizeieinsätzen, dazwischen die Jungs von DEINELTAN, kool mit Sonnenbrille, auch im 'Einsatz', 1. Mai Randale, Stein-, Flaschenwürfe und brennende Autos sind zu sehen. Und die Rapper von DEINELtAN stilisieren abwechselnd ihre alles andere als de-eskalierende Vision über Kontakte mit der Polizei.
Fickt die Cops
Fickt die Cops

Fickt die fickt die Cops
Fickt die Cops

Bullenschweine

... ist der Refrain.

Vereinzelt werden Diskrimierungen und Schikanen eingestreut (einer der Rapper ist Schwarzer), im Vordergrund aber steht (Kampfansage 1. Mai) Militanz gegen Polizisten. Und mitunter geht es textlich voll zur Sache:
Ein guter Cop ist ein Cop
der sich den Kopf über den Asphalt drückt

Gib ihm mit dem Teleskop

(dazu angedeuteter Schlag mit einem Teleskop Schlagstock)

...

Ein Cop ist ein guter Cop

blutet er die Straße voll

Für Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech ein Straftatbestand: Gewaltverherrlichung. Das Video, das im Internet allgemein zugänglich ist und in zahlreichen Textpassagen die Polizei beleidigt und diffamiert, ist völlig indiskutabel und darf nicht hingenommen werden. Ich bin nicht gewillt, solche Auswüchse zu tolerieren. Er erstattet Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Und will auf eine Entfernung dieser Internetseite hinzuwirken. In einer späteren Meldung heißt es: Die Sperrung ist auf den Weg gebracht. Die Betreiber der Seite wurden abgemahnt.

Die Webseite der Combo ist nach wie vor online, das Video dort aber nicht mehr zu sehen. Wohl aber auf ihrer MySpace Seite oder auf YouTube.

Mag sein, dass die Denkweise eines wackeren Innenministers in juristischen Fragen sehr zugespitzt funktioniert. Aber immer noch geht es hier um eine Güterabwägung: Zwischen Verherrlichung von Gewalt und künstlerischer Freiheit. Und es stellt sich die Frage, mit welcher UNVERMITTELTHEIT staatliche Stellen missliebige Inhalte einfach ausschalten können. Inhalte, die etwa in Videospielen oder in Filmen (bisher) problemlos dargestellt werden können. Natürlich soll damit nicht gesagt werden, dass DEINELTAN Gewalt gegenüber der Polizei (wie das Kino) einfach nur DARSTELLEN. Die Band als solche präsentiert generell eine sehr militante Attitude. Letztendlich zeigt das aber immer noch, dass das Problem komplizierter ist und quasi in einem Daumen-nach-unten Handstreich einer obrigkeitsstaatlichen Maßnahme entsorgt werden darf.

DEINELTAN haben nicht den ersten Song diesen Kalibers vorgelegt. Einige Vorgänger wurden ausgesprochene Klassiker.. der Musikgeschichte! Erinnert sei nur an Bob Marley's "I shot the Sherrif", ursprünglich "I shot the Police" betitelt. Mit seiner Coverversion erreichte Eric Clapton die Spitze der US Charts. Oder an N.W.A mit ihrem 1988er Klassiker "Fuck The Police".

DEINELTAN dürfte über Herrn Rechs Aktion eher erfreut sein. Zwar ist dessen Abmahnung mit Sicherheit kostenbewehrt (vermutlich einige 1000 Euro wert). Bekanntheitsheitsgrad und Verkäufe der Marke DEINELTAN haben sich damit aber ver-xfacht. Was aber bleibt ist der beißende Geruch von Zensur, zumindest solange die staatliche Maßnahme nicht besser vermittelt wird. Gut, die Generalstaatsanwaltschaft wird den Fall wohl nicht im Handstreich entscheiden.

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Wednesday, June 20, 2007

Hauruck Browser

Apple veröffentlicht Safari für Windows (11. Juni)

Vor drei Wochen könnte diese Strategie-Sitzung in Cupertino stattgefunden haben.

SJ [Steve Jobs] (trommelt ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch): Wir brauchen noch etwas für meine Keynote auf der WWDC (WorldWideDeveloperConference) in drei Wochen. Einen Kracher !
A1 [Apple Mitarbeiter 1]: Wir können das iPhone noch mehr in den Mittelpunkt rücken...
SJ: iPhone? Seine Grundfeatures sind seit Januar bekannt, interessiert keinen mehr. Und ein paar Details legen wir zum Release am 29.6. nach. Das iPhone ist keine Schlagzeile, HIER UND JETZT !
A2: Wir haben doch die neuen Leopard Features (Mac OS 10.5, Veröffentlichung ist für kommenden Oktober geplant)... Der neue Finder, neue Desktop Funktionen, Quick Look, Spaces, ... lassen Windows noch älter aussehen.
SJ: Alles schön und gut. Nur... das bringt uns keine Schlagzeilen. Ist alles viel zu kompliziert, um daraus satte News zu machen.
... (ratloses Schweigen) ...
SJ: Okay, wenn sonst nichts kommt... dann geht's nur so: Wir portieren Safari auf Windows !!!
(entsetzte Blicke reihum)
Entwickler: In drei Wochen??? Das ist nicht zu schaffen.
SJ: Etwas mehr Entspannung, bitte ! Die Render Engine ist portable, was Sie machen müssen ist die Anpassung an all die Windows Scherereien. Das wird bis dahin nicht alles reibungslos funktionieren, ist mir schon klar. Aber wir brauchen die Schlagzeile: Apple bringt Safari-Browser für Windows !
Entwickler: Drei Wochen? Safari wird auf Windows so lausig laufen, nicht einmal Alpha Status würde ich dem Ding geben.
SJ: Egal. Sie tun was Ihnen möglich ist. Wir nennen das Release "Public Beta". Lieber ein Browser der gelegentlich abstürzt. Als lausige Presse... und unser Aktionkurs stürzt darauf in den Keller. (Klatscht in die Hände) Gut, an die Arbeit. Die Sitzung ist hiermit beendet.

Anzumerken wäre noch: Die ersten Berichte über Safari 3.0 für Windows waren in der Tat verheerend - schlechte Erkennung vieler Fonts oder Fettschrift (Überschriften werden oft gar nicht dargestellt, sogar auf populären Seiten wie Heise.de oder Spiegel.de), Zugriffe auf Bookmarks führen zum Absturz des Browsers, neben dessen genereller Crash-Freudigkeit usw. Allerdings treten diese Probleme verschärft in nicht-englischen Versionen auf. Letztere sind aber auch nicht ohne Probleme. Immerhin hat Apple gravierende Sicherheitsmängel innerhalb von zwei Tagen gepatcht.

Aber vermutlich wird Apple die Probleme im Laufe der Zeit beseitigen. Und der schlechte Einstand allmählich in Vergessenheit geraten. Immerhin hat die Firma mit iTunes, dem iPod und dem iPhone (welches im übrigen Safari als Browser nutzt) ultra-hippe Produkte (die erfolgreich Käufer auf Apples Computer Plattform ziehen), und deren Glanz könnte auf Safari abfärben. Außerdem dürfte Apple viel daran liegen, dass Safari stärker von Web-Designern berücksichtigt wird (unabdingbar für den iPhone Erfolg). Insofern war die Entscheidung, im Schnellschuss Safari für Windows zu veröffentlichen, vermutlich nicht die schlechteste. Von dem erwähnten Publicity Stunt ganz abgesehen.

Wednesday, June 06, 2007

Statistisches Gebaren

Zahlen zu Milliardenverlusten infolge von Produktpiraterie und Copyrightmissbrauch

Solche Meldungen klingen vertraut. Industriesprecher beklagen 3-stellige Milliardenverluste, weil geschützte Waren kopiert und mit dem Label des Originals versehen verkauft werden. Oder weil illegale Digitalprodukte über Filesharing im Internet umsonst zu bekommen sind.

Produktpiraterie ist auch ein Thema auf dem G8-Gipfel. Wie Heise berichtet, hat die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erste Details ihrer Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von Produktpiraterie vorab präsentiert: Für das Jahr 2005 wird der erlittene Schaden weltweit auf rund 200 Milliarden Euro geschätzt. Darin nicht enthalten sind Einbußen durch Filesharing. Würden diese mitberechnet, vermutet die Studie vorsichtig, könnte die Summe mehrere hundert Milliarden Euro höher sein.

Interessant ist nun, dass ein OECD Sprecher gegenüber Heise die Schwächen solcher Statistiken einräumt, inklusive der eigenen. "Wenn wir ehrlich sind" ... "ist die aktuelle Größenordnung nicht wirklich feststellbar." Die Statistiken würden unterschiedlich geführt und die Bewertungsmaßstäbe seien unterschiedlich. So fußt die OECD Studie auf Angaben der Zollbehörden zu konfiszierten Fälschungen. Hierbei sei unklar, ob die Angaben zu deren Wert den Wert der Originalprodukte, den Verkaufswert der Fälschungen oder den von den Transporteuren deklarierten Wert als Maßstab nähmen. Die Zahlen der Industrie lägen überdies weitaus höher und niemand kenne deren Ansatz.

Die hier anklingende Skepsis am bisherigen statistischen Gebaren ist unverkennbar. Möglicherweise dämmerte den Autoren der Studie, dass die bisherige Praxis, immer horrendere Zahlen zu publizieren, kontraproduktiv sein könnte. Dass nämlich beim geneigten Leser mit der Inflation der vermeldeten Schadensummen proportional dessen Skepsis und Nicht-Akzeptanz steigt.

Was hier nicht anklingt, ist das nach wie vor nicht ausgeräumte Dilemma der Pseudo-Objektivität solcher Statistiken. Ein paar Aspekte hierzu nur: Dass geklonte Waren die Produzenten der Originalprodukte 'irgendwie' schädigt, ist unbestritten. Aber: Wenn jemand eine Rolex 'Made in Tailand' für €10 kauft, weiss er, dass er eine Fälschung vor sich hat. Und kauft diese kaum ANSTELLE einer echten Rolex. Bei kopierter Markenbekleidung entsteht vermutlich ein Schaden. Fraglich bleibt immer noch, ob der entgangene Umsatz, sofern keine Klon-Produkte verfügbar wären, tatsächlich IN VOLLEM UMFANG den Originalherstellern zugeflossen wäre. Vermutlich nicht, billig kaufen ist populär. Noch deutlicher wird das Problem hinsichtlich pharmazeutischer Fälschungen, ein großer Markt insbesondere in Afrika. Warum? Originalprodukte sprengen die dortige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Also auch hier ist der Wert der in Umlauf befindlichen oder umgesetzten gefälschten Produkte nur ein vager Indikator für die Einbußen der Originale.

Anders ausgedrückt: Der TATSÄCHLICHE Schaden der legitimen Hersteller bemisst sich allein an AUSGEBLIEBENEN VERKÄUFEN infolge verfügbarer Kopien, nicht aber an der ABSOLUTEN Zahl letzterer im Umlauf. Natürlich ist das keine einfache statistische Aufgabe. Darauf aber zu verzichten bringt eine derart große Unschärfe in die Zahlen, welche entsprechende Statistik wertlos erscheinen ließe.

Bis hierhin war nur von Piraterie an physikalisch existierenden Produkten die Rede. Eine noch brisantere Dimension gewinnt das statistische Problem, wenn es um die massenhafte Vervielfältigung von digitalen Medien (Software, Video, Musik) über das Internet geht. Klar ist, dass die meisten Downloads aus FLACHER Sammelleidenschaft gemacht werden. In einem gewissen Maß wird gesammelt was verfügbar ist, aber alternativ zu und nicht als Ersatz für tatsächliche Käufe. Und es scheint keine gesicherten Zahlen darüber zu geben, in welchem Verhältnis illegale Downloads tatsächlich zu Verkaufseinbußen führen. Die Industrievertreter andererseits rechnen jeden einzelnen Download mit einem entgangenen Verkauf gegen. Und kommen so natürlich zu horrenden Zahlen, schiere Demagogie ! Der halbwegs geneigte Leser fühlt sich von solchen Phantasiezahlen schlichtweg verarscht und kann sich kaum eine noch arrogantere Strategie vorstellen.