Thursday, August 04, 2005

Einfache Verhältnisse

Schönbohm und die 9 toten Säuglinge

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte ein Mitteilungsbedürfnis. Richtiges Sendungsbewusstsein gewissermaßen. 9 Säuglinge hat eine 39-jährige Brandenburgerin kurz nach der Geburt "entsorgt". 'Große Sache dies', muss es dem Minister durch den Kopf gespukt sein. Die Boulevard Medien waren auf Höchsttemperatur. Und den greifbaren Sieg seiner Partei bei der Bundestagswahl vor Augen, arbeiteten die Radars im Hinterkopf des guten Mannes fieberhaft. Der Ex-General kann sich Hoffnungen auf den Posten des Verteidigungsministers machen. Vielleicht kam ihm auch die Flutkatastrophe kurz vor der Wahl 2002 in den Sinn, die Gerhard Schroeder offensichtlich sehr half.

In seinem Kopf überschlug sich sein Sendungsbewusstsein in eine General-Abrechnung
"Die ländlich strukturierten Räume Ostdeutschlands sind stärker verproletarisiert"... "Mit der Kollektivierung der Landwirtschaft durch die SED in den 50er Jahren ging der Verlust von Verantwortung für Eigentum einher, für das Schaffen von Werten"... "Ich glaube, dass die von der SED erzwungene Proletarisierung eine der wesentlichen Ursachen ist für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft" (ist).
Und nach dem Tagesspiegel-Interview einmal richtig in Fahrt, legte er im ZDF, trotz bereits herber öffentlicher Kritik, noch einmal nach: "In totalitären Systemen war die Wertevermittlung kleingeschrieben". Der Staat habe die Werte vorgegeben und die Menschen überwacht, die gut damit gefahren seien, am Menschen oder anderen Dingen keinen Anteil zu nehmen.

Es dauerte gewisse Zeit, bis Jörg Schönbohm dämmerte, dass die Strickmuster eines Militärs nicht ohne weiteres für soziologische Analysen taugen. Und dass er mit seinem einfachen Webwerk keinen großen Anklang finden würde, nicht einmal bei seinen Parteifreunden. Cornelia Pieper (FDP) forderte sogar seinen Rücktritt. Schönbohm hat sich inzwischen entschuldigt.

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