Monday, June 20, 2005

Sündenbock Nation und Popstar-Kicker

4:3 hatte Deutschland sein erstes Spiel im Confed-Cup gegen Australien gewonnen. Unfassbar ! 3 Gegentore gegen die Truppe vom Känguruh-Kontinent, die bisher bei der WM-Qualifikation fast immer gegen den 5. (!) der Südamerika-Gruppe ausgeschieden ist.

Nicht akzeptabel ! So rasselten die so gerne immer auf die Zwölf hauenden Kollegen, besonders die von der Springer-Zunft, kräftig mit dem Säbel. Der Schuldige war sofort ausgemacht - Robert Huth, der 20-jährige Innenverteidiger. "Hüftsteif", "ungelenk", "Unsicherheitsfaktor", lautete das Signal zum Abschuss. So wurde im Nachhinein wieder etwas gerade gerückt, was eigentlich nicht sein kann, nämlich dass der Fußball-Underdog Australien aufgrund seiner eigenen Stärke das mächtige Deutschland in Bedrängnis bringen konnte. Nein, es muss am desaströsen Versagen eines Deutschen gelegen haben.

Zusätzlich sind es in Deutschland beliebter Stil und Perspektive, "Unglücke" nicht nur am Versagen Einzelner festzuzurren, sondern vielmehr noch die ganze Fatalität der vermeintlichen Untaten eines Einzelnen geradezu pompös auszustellen. Strukturell etwa so, wie in vergangenen Epochen Missgeburten und absonderliche Kreaturen auf Rummelplätzen ausgestellt wurden.

Zum Glück für Huth, und für alle Supporter von faktischen Analysen, trat Bundestrainer Klinsmann dieser Sündenbock Perspektive deutlich bemüht entgegen. Eindrucksvoll unterstützt von Jürgen Klopp, dem FSV Mainz 05 Trainer und Co-Kommentator im ZDF. "Kloppo" führte mittels Videoanalysen sehr deutlich vor, wie mangelhaftes läuferisches Verhalten und Zuordnung im defensiven Mittelfeld (Frings, Ballack) zu 1:1-Situationen mit Huth (gewiss nicht dessen Stärke) führten und ihn schlecht aussehen ließen.

Nach dem (zwar mühsamen) 3:0 gegen Tunesien sieht die deutsche Fußballwelt nun wieder sonniger aus. In der Nachorchestrierung ertönt Sympathie, fast schon Euphorie für die "Unbekümmertheit" und das "Draufgängertum" der so jungen Truppe. Podolski, Schweinsteiger, Ballack + Co sind, unterstützt durch Klinsmanns positive Dynamik, auf gutem Weg, Pop-Icons zu werden und so von einer breiten Welle der Unterstützung getragen zu werden. Was die Werkzeuge der Fatal-Redner einigermaßen stumpf werden lassen könnte.

Und da war dann noch was: Bei jeder seiner einigermaßen gelungenen Abwehraktionen hallten "Huuuth Huuuuth" Rufe durchs Stadion. Nicht wenige werden hier an Yves Eigenrauch denken, den kantigen Abräumer der Schalker, der bei jeder Ballberührung mit "Yves Yves" gefeiert wurde. Und der so, in Umkehrung handelsüblicher Fußball-Leitbilder, vom Anti-Fußballer zum "Kult" erhöht wurde. Gut möglich, dass Huth diese Weihe auch erfährt. Was die deutsche Mannschaft auf ganzer Linie zu Pop machen würde.

No comments: